Die Aufzucht von Artemien in Freilandkultur

Freiland-Artemia

Artemien sind in der Aquaristik, insbesondere aber in der Nachzucht nicht mehr wegzudenken. Allerdings werden in den allermeisten Fällen die frisch geschlüpften Nauplien verfüttert. Ausgewachsene Artemien werden in der Regel nur in Form von Frostfutter verwendet. Die Aufzucht der Tiere erscheint den meisten Aquarianern wohl zu schwierig und zu aufwändig, obwohl ausgewachsene Artemien ein gutes zusätzliches Lebendfutter darstellen. Insbesondere im Meerwasseraquarium bleiben die Tiere lange am Leben und sie üben mit ihrer Schwimmbewegung einen besonderen Futterreiz aus. Manch heikler Fisch lässt sich damit leichter eingewöhnen. Ernährt man die Artemien mit Phytoplankton oder anderen inhaltsreichen Futtermitteln, kann man ihren Nährwert steigern. Auch ist es – ebenso wie bei den Nauplien - möglich, ausgewachsene Artemien z. B. mit Culture Selco Plus anzureichern.

Die Aufzucht der Krebschen innerhalb des Hauses gelingt zwar (z. B. in Plexiglas-Röhren), ist aber wegen der eingeschränkten Möglichkeiten wenig ergiebig. Deshalb bin ich schon vor Jahren dazu übergegangen, Artemien von Frühjahr bis in den Spätherbst im Garten und zwar in unterschiedlichsten Gefäßen großzuziehen. Gute Erfahrungen habe ich mit transparenten Kunststoffwannen etwa ab der Größe 50 cm x 40 cm gemacht, in denen der Wasserstand nur um die 15 cm beträgt. Betreibt man mehrere solcher Kulturen, kann die Ausbeute schon ganz passabel sein. Wirklich große Mengen erfordern aber noch größere Behälter.

Das „Herzstück“ meiner Artemiazucht ist eine ausrangierte weiße Acryl-Badewanne, bei der ich die Metallteile im Ab- und Überlauf entfernt und durch Kunststoffdichtungen und –rohre (als Notüberlauf) ersetzt habe. Dann wurde die Wanne in einer versteckten Gartenecke halb im Erdreich versenkt (Sandbett), halb ruht sie auf einem umlaufenden Sockel aus Stein. Die Wanne erhält fast den ganzen Tag Sonnenschein. Zur besseren Temperierung sowie zur Vermeidung übermäßiger Verdunstung oder Verdünnung mit Regenwasser ist die Wanne mit 2 gewellten Platten aus durchsichtigem Polycarbonat abgedeckt. Das Wasser wird sonnenscheinabhängig mit einer solarbetriebenen elektronischen Membranpumpe grobperlig belüftet. Ohne Belüftung entsteht bald eine Kahmhaut aus Algen und Bakterien. Auf die Artemien hat das aber m. E. keinen dramatischen Einfluss, es erschwert jedoch die saubere Entnahme. Günstig erscheint mir auch, dass das Futter mit Belüftung nicht so schnell absinkt; es geht aber auch ohne.

Freiland-Wanne

In der Wanne befindet sich Salzwasser mit nur ca. 25 cm Wasserstand (schwankend). Zunächst verwendete ich Wasser mit einer Salinität von 35 Promille (ppt). Im Laufe der Zeit und insbesondere nach dem Umstieg auf chinesische Artemien hat sich ein Salzgehalt von etwa 25 – 30 ppt als günstig erwiesen. Mittlerweile habe ich die Salinität allerdings wieder erhöht (bis 40 ppt), um die Massenvermehrung der Brachionus plicatilis zurückzudrängen (s. u.). An einer Markierung erkenne ich die Verdunstung und fülle dann mit Regen- oder Brunnenwasser auf. So ganz genau nehme ich es aber dabei nicht, so dass es durchaus zu erheblichen Dichteschwankungen kommt, die ich aber für die Entwicklung eher für vorteilhaft als für schädlich halte. Das Wasser habe ich auch all die Jahre nicht gewechselt! Es bleibt auch im Winter in der (abgedeckten) Wanne, wo es weitgehend durchfriert (- 20° C sind keine Seltenheit).

Beim Start vor Jahren habe ich in Flaschen geschlüpfte Nauplien (1 gehäufter Teelöffel Zysten) nach der Trennung von den Schalen eingesetzt und in Ermangelung anderer Mittel (nur) mit Trockenhefe gefüttert. Das Ergebnis war im Nachhinein betrachtet zunächst nicht berauschend. Viel besser geht es, seit am Boden sowie an den Seitenwänden dicke Algenschichten wachsen, die sich z. T. auch lösen und an der Oberfläche treiben. Mittlerweile hat sich das Ganze eingespielt: Wenn das Eis geschmolzen ist, entstehen in der Regel zunächst Schwebalgen und das Wasser mutiert zu einer dunkelgrünen oder braunen Brühe. Etwas Phyto-Dünger oder eine Handvoll gut verrotteter Kompost fördert das Ganze. Da die Anlage gefüllt bleibt, entwickeln sich im Herbst (auf Grund der sich verschlechternden Lebensverhältnisse) Dauerzysten, die im Eis überleben. Daraus schlüpfen dann im Frühjahr bei steigender Temperatur neue Nauplien.

Seit einiger Zeit verwende ich trotz schlechterer allgemeiner Schlupfrate chinesische Artemien, die mit unseren schwankenden Witterungsverhältnissen offenbar besser zurecht kommen als Tiere aus den USA und bei denen im Frühjahr auch mehr Nauplien auftauchen. Dennoch ist die Zahl zu gering, um eine rentable Ausbeute zu ermöglichen. Ich setze daher ab Frühjahr immer wieder in Flaschen geschlüpfte Nauplien (nach Trennung von den Schalen!) zu. Wichtig erscheint mir dabei, dass die Nauplien nicht in zu warmem Wasser zum Schlupf gebracht werden, wenn das Wannenwasser noch wesentlich kälter ist. Nach meiner Erfahrung wachsen dann nach dem Umsetzen nicht viele Tiere auf, obwohl sie das unmittelbare Umsetzen zunächst überleben. Ich warte auch mit dem Umsetzen nach dem Schlupf einige Stunden, bis die Nauplien in der Flasche schwimmen und sich auch nach Abschalten der Belüftung nicht mehr am Bodengrund sammeln. Bei diesem Entwicklungsstand (instar II) scheinen sie allgemein schon stabiler zu sein.

Der Phytoplankton-Segen hält in meiner Wanne leider nicht lange. Das Wasser wird klar, noch bevor die ersten Artemien ausgewachsen sind. Das liegt aber (nicht nur) an den Artemien, die im nachts noch stark abkühlenden Wasser zunächst ohnehin recht langsam wachsen. Vielmehr liegt es an einer explosionsartigen Vermehrung von Brachionus plicatilis, die ab einer bestimmten Temperatur einsetzt und die gelegentlich so stark ist, dass das Wasser regelrecht eingetrübt erscheint. Selbst eine Erhöhung der Salinität auf 40 ppt konnte die Massenvermehrung der Rotiferen kaum eindämmen. Natürlich werden auch die Brachionus aquaristisch verwertet (z. B. für die Mysis- und Garnelenzucht). Wird das Wasser zunehmend klarer, ist der Zeitpunkt des Zufütterns gekommen. Ich verwende hierbei als Basis nach wie vor Trockenhefe. Ein halbes Päckchen in ca. 50 ml Wasser aufgelöst (gut geschüttelt oder besser mit einem kleinen Milchaufschäumer gequirlt und etwas stehen lassen) auf rund 100 l Wasser täglich genügt anfänglich. Gelegentlich gebe ich auch Vitamine zu. Daneben verfüttere ich auch Culture Selco, wobei ich – wie bei allen Futtermitteln - vorsichtig bin, weil die Lösung (wohl durch starke Sauerstoffzehrung) in kleinen Gefäßen schon zu Totalausfällen geführt hat. In der großen Wanne ist mir so etwas allerdings noch nicht passiert. Neuerdings verwende ich als Zusatz Culture Selco Plus, bei dem nach meinen Erfahrungen in der Brachionus-Zucht die Gefahr des Umkippens des Kulturwassers drastisch verringert ist. Schließlich gebe ich gelegentlich auch Trockenfutter, insbesondere Spirulina aber auch Cyclops Eeze dazu. Die Flocken, Tabletten und sonstige feste Futtermittel werden zusammen in einem Mörser feinst zermahlen und in einem Reagenzglas aufgeschwemmt. Nur die Schwebeteile über dem abgesetzten Bodensatz werden dann verfüttert. Auch das klappt, wenn ich auch den Eindruck habe, dass die "Hefe-Selco-Phytoplankton-Methode" effektiver ist. (Tipp: Hefe und Selco in warmem Süßwasser lösen und vorsichtig zugeben, dann bleibt die Futterlösung wegen der geringeren Dichte länger an der Oberfläche, wenn nicht durchlüftet wird.)

Besonders günstig ist natürlich, wenn man regelmäßig Phytoplankton zusetzten kann. Da ich im Sommer auch Algen im Freien züchte, kann ich immer wieder ein paar Liter den Artemien (und Rädertierchen) verfüttern. Einen wichtigen Beitrag zur Ernährung der heranwachsenden und ausgewachsenen Artemien liefern wie gesagt auch die weichen Algenbeläge an den Wannenwänden. Diese werden regelrecht abgeschabt und man kann an vielen Stellen richtige Fraßspuren entdecken; manche Flecken werden bis zur blanken Wand „abgenagt“. In Gefäßen ohne Algenwuchs konnte ich auch bei guter Fütterung keine vergleichbaren Erfolge erzielen. Seit mehreren Jahren entwickeln sich im Sommer auch schlauchartige Algen (manche Doktorfische sind ganz wild danach) oder Fadenalgen, die ich regelmäßig entferne, bevor sie überhand nehmen. Sie beeinträchtigen einerseits den Fang der Artemien, andererseits verbrauchen sie Nährstoffe, die dann den „Futteralgen“ nicht mehr zur Verfügung stehen.

Hinsichtlich der Futtermenge gilt: Es kommt weniger auf die Wassermenge als den Verbrauch an! Also an die geeignete Menge einfach herantasten und erst nachfüttern, wenn das Wasser fast klar ist. Sollte nach einem Tag immer noch eine Trübung vorhanden sein, muss man die Dosis reduzieren oder mal ganz aussetzen. Ausnahme ist hier Phytoplankton; dabei gibt es das Problem der Überdosierung normalerweise nicht.

Das Wachstum der Artemien schwankt stark und ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Einer der wichtigsten ist sicher die Temperatur, die in meiner Wanne gelegentlich bis gut 38° C steigt. Die Artemien sausen dann mit hoher Geschwindigkeit durch das Wasser und werden mit sinkendem Sauerstoffgehalt zunehmend rot. Das Wachstum geht dann entsprechend rasch vonstatten. Längere Schlechtwetterperioden bremsen oder stoppen gar die Entwicklung. Futtermangel führt zu eingeschränktem Wachstum und geringer Vermehrung. Passen alle Faktoren, vermehren sich die Alttiere über befruchtete Eier, aus denen unmittelbar freischwimmende Nauplien schlüpfen. Verschlechtern sich die Lebensverhältnisse, werden Zysten produziert, bei denen erst eine Verbesserung der Bedingungen zum Schlupf führt. Allerdings reicht bei mir auch bei optimalen Bedingungen die Eigenproduktion nicht, um tägliche Entnahmen auszugleichen. Deshalb setze ich auch im Sommer regelmäßig in Flaschen erbrütete Nauplien nach.

Freiland-Kescher

Zur Entnahme verwende ich einen Fischkescher mit etwas gröberen Maschen, damit nicht zu viele Nauplien und Jungtiere mitgefangen werden. Mit dem bekannten Artemia-Sieb-Set kann man die Tiere auch der Größe nach sortieren. Zum Anreichern der Artemien vor dem Verfüttern, gebe ich sie längere Zeit in ein kleineres Gefäß mit etwas Selco. Höhere Gefäße sollte man dabei belüften. Es geht aber auch in flachen Schalen mit nur 2 – 3 cm Wasserstand und ohne Belüftung (nicht in die Sonne stellen!).

Vielleicht regt der Bericht den einen oder anderen an, die Freilandkultur von Artemien einmal selbst zu versuchen. Es muss ja nicht gleich eine Badewanne im Garten sein. Eine kleinere Wanne auf dem Balkon oder der Terrasse tut es auch. Und spannend ist das Unternehmen „Freiland-Artemien“ allemal.

© Text und Bilder Wolfgang S.

   
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